Rede Kai Gerfelder zum RegFNP-Änderungsverfahren für die Stadt Neu-Anspach, Gebiet: "Am Tripp"
Sitzung der Verbandskammer am 14.10.2015 im Rathaus Römer
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Vertreter der Koalition sind bis zur Sitzung des Planungsausschusses am 01. Oktober eigentlich davon ausgegangen, dass sich am Beispiel der Änderung des Regionalen Flächennutzungsplanes für die Stadt Neu-Anspach „Am Tripp“ keine großartige Debatte entzünden wird. Handelt es sich inhaltlich bei der Vorlage doch um ein äußerst überschaubares Gebiet in einer Größenordnung von nur 0,7 Hektar. In gewohnter Art ist die Vorlage auch sauber aufbereitet und schlüssig.
Mit entsprechendem Erstaunen haben wir jedoch bereits damals zur Kenntnis nehmen müssen, mit welcher Energie die Gruppen der Unabhängigen und der Grünen das Vorgehen des Verbandsvorstandes und der Koalition im vorliegenden Fall kritisieren.
Mit den Ausführungen der Kollegen Sachtleber und Kern setzt sich diese Diskussion heute fort.
Im Kern erstreckt sich die Kritik auf die Anwendung der von der Koalition neu geregelten Richtlinie zur Flächenkompensation. Im April diesen Jahres haben die Vertreter von SPD und CDU sich entschlossen, Städten und Gemeinden, die keinen Flächenausgleich vornehmen können, trotzdem eine städtebauliche Entwicklungsmöglichkeit zu bieten. Dabei ist nach einem streng verfassten Kriterienkatalog abzuarbeiten, warum ein Flächenausgleich gar nicht oder nicht in vollem Umfang erfolgen kann. Hier werden unter anderem Innentwicklungspotentiale und andere Alternativen geprüft. Sie finden diesen Kriterienkatalog nochmals aufgeführt auf Seite 18 des Flächenmonitorings für das Jahr 2014. Dieses wird ja heute auch noch unter TOP 20 behandelt.
Lassen sie mich zunächst fest halten, dass sich der Regionalvorstand - hier Planungsdezernent Horn - korrekt an die Vorgaben der Verbandskammer gehalten hat. Dem werden auch die Vertreter der Unabhängigen und Grün+ nicht widersprechen.
Wir haben uns in der Diskussion um die Fläche Neu-Anspach „Am Tripp“ vorwerfen lassen müssen, mit der Verzicht auf eine Kompensation werde der Regionale Flächennutzungsplan ad absurdum geführt. Ralf Sachtleber hat uns im Planungsausschuss gar wörtlich vorgeworfen, man könne den Plan nun „in die Tonne kloppen“.
Ich halte ausdrücklich fest: Unter Berücksichtigung meiner Ausführungen und dem Verweis, auf die nach wie vor klaren und strengen Regelungen in den neuen Richtlinien zur Flächenkompensation, kann hiervon keinesfalls die Rede sein. Natürlich bleibt der Regionalen Flächennutzungsplan Grundlage aller Entscheidungen zur Flächeninanspruchnahme. Im Falle einer Abweichung ist in jedem Falle die Verbandskammer zu beteiligen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
wir müssen angesichts dieser Diskussion und einer ordentlichen Bewertung des Vorganges unsres Erachtens aber den konkreten Fall Neu-Anspach verlassen und uns auf eine Gesamtschau der Entwicklung in der Rhein-Main-Region begeben: So wurde der Regionale Flächennutzungsplan während des vergangenen Jahrzehnts erarbeitet, um der Region FrankfurtRheinMain einen geordneten Rahmen für die Weiterentwicklung zu geben.
Er wurde erarbeitet, um dem Flächenverbrauch eine klare Begrenzung zu geben. Heute müssen wir jedoch zur Kenntnis nehmen, dass der Regionale Flächennutzungsplan zwei Schwächen aufweist, deren Ursache zum Zeitpunkt der Aufstellung noch nicht absehbar war:
Erstens:
Während vor rund zehn Jahren noch die Annahme kursierte, die Region FrankfurtRheinMain würde erheblich an Einwohnern verlieren, stellen wir heute eine extrem gegenläufige Bewegung fest. In den derzeitigen Wachstumsprognosen wird ein Zuzug von mehreren Hunderttausend Menschen in den Ballungsraum und hier nicht nur in die Kernstadt Frankfurt erwartet. In den Zeitungen prangen Überschriften wie „Ganz Offenbach zieht nach Frankfurt“ oder „Kein Wohnraum mehr für Menschen mit Durchschnittseinkommen“. Die Bevölkerungsprognose Anfang der 2000er Jahre entspricht einfach nicht der Realität. Und diese Entwicklung findet bereits unabhängig von der Flüchtlingszuwanderung statt. Sie wird durch diese nur noch zunehmend brisanter.
Zweitens:
Gleichzeitig und auf Grund der geschilderten Tatsache auch etwas verwunderlich, werden die Potentiale, die der Regionale Flächennutzungsplan zur Entwicklung von Wohnbau- und Gewerbeflächen einräumt, bei weitem nicht ausgeschöpft. Wie wir dem Flächenmonitoring entnehmen können, sind heute zur Hälfte des Gültigkeitszeitraums des RegFNP lediglich zehn Prozent des Angebotes an die Kommunen genutzt. Es vollzieht sich offensichtlich eine Stagnation bei der Bautätigkeit. Vor dem Hintergrund dieser Tatsache erscheint entfacht die Argumentation zur Begrenzung der Flächeninanspruchnahme eine Phantomdiskussion, die nicht der Wirklichkeit entspricht. In diesem Zusammenhang sind wir dem Kollegen Göllner dankbar, dass er lange auf die Einführung des Flächenmonitorings als wirksames Instrument einer Evaluation hin gearbeitet hat und wir heute über dieses wertvolle Instrument verfügen.
Die Politik muss sich nun auch die Frage stellen, warum sich eine solche Entwicklung vollzieht: obwohl sowohl eine hohe Nachfrage nach Wohnraum bei zeitgleich historisch niedrigen Zinsen vorhanden ist. Diese Diskussion gehört aber nicht zum aufgerufenen Tagesordnungspunkt.
Eingebettet in diese wohnungsbaupolitische Fehlentwicklung müssen wir aber froh sein, über jede Bautätigkeit und Weiterentwicklung, die von Seiten einer Kommune gewünscht und umgesetzt wird. Die planungsrechtlichen Vorgaben des Regionalen Flächennutzungsplans sind in den vergangen Jahren einfach von der Realität überholt worden. Die Gemeinde Anspach hingegen hat in ihren Bemühungen, Wohnraum zu schaffen, deshalb die volle Unterstützung der Koalition in diesem Hause. Wir tragen nämlich Verantwortung dafür, dass die Region sich in Gänze weiter entwickelt und Antworten auf die konkreten Problemstellungen der Menschen in der Rhein-Main-Region liefert. Für uns Sozialdemokraten ist die bedeutendste Fragestellung derzeit die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum.
Ein dogmatisches Festhalten an teilweise überholten Vorgaben kann deshalb aus unserer Sicht nicht Grundlage einer vernünftigen Regionalpolitik sein.
Ebensowenig macht es Sinn und Zweck sich sklavisch an einen Zehnjahresplan zu ketten, der nicht die passenden Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit stellt.
Oder um mit dem großen Willy Brandt zu schließen: „Eine Politik, die nicht für die Menschen da ist, sondern für sich selbst, kann uns gestohlen bleiben!“
Glück auf!