Presse SPD-Fraktion in der Regionalversammlung

Rede von Michael Göllner zum Abweichungsantrag „Lidl-Logistikzentrum, Erlensee“, Regionalversammlung Südhessen am 14.09.2018

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

meine sehr geehrten Damen und Herren, 

zunächst darf ich dem Regierungspräsidium danken für die erarbeitete Vorlage. In der Sitzung des Haupt- und Planungsausschusses hat der Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Bernd Röttger, bereits erwähnt, dass er selten eine solch qualitativ gut ausgearbeitete Vorlage gesehen hat. Aus diesem Grund können wir heute auch entsprechend fundiert unsere politische Entscheidung als Regionalversammlung treffen.

 

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Der Debatte heute sind letzte Woche zwei Ausschusssitzungen im Ausschuss für Natur, Landwirtschaft und Forsten und im Haupt- und Planungsausschuss vorangegangen, in denen intensiv und gründlich über den Antrag der Städte Erlensee und Langenselbold und die Beschlussvorlage des Regierungspräsidiums diskutiert wurde.

Mit großer Mehrheit wurde der Argumentation des RP und daraus resultierend, den Beschlussvorschlägen gefolgt. Nämlich den Antrag der Stadt Langenselbold abzulehnen und den Antrag der Stadt Erlensee zuzustimmen. Die SPD Fraktion wird heute entsprechend abstimmen: Der Beschluss heute ist richtungsweisend und von grundsätzlicher Bedeutung. Genau deshalb ist es auch wichtig, dass die Vorlage so fundiert die Sachlage abwägt. Eine anlassloser Abweichungsantrag wie von der Stadt Langenselbold gestellt, der eine reine Angebotsplanung wäre, ist für uns kein Anlass vom Regionalplan abzuweichen.

Anders ist es bei dem Antrag der Stadt Erlensee: Wir wollen es regionalplanerisch ermöglichen, dass wir in unserer Region, den veränderten Rahmenbedingungen gerecht werden können, die seit Erstellung des Regionalplanes eingetreten sind. Wir haben bereits am Beispiel REWE in Wölfersheim gesehen, dass der Regionalplan derzeit nicht die Flächen, die beispielsweise für die Anforderungen der Logistik im Jahr 2018 gelten, bereitstellen kann. Und die Vorlage zeigt ja auch genau auf, welche Ansprüche gefordert sind und welche Standortalternativen geprüft wurden.

Den schon bei der letzten Diskussion absurden Vorwurf, es hätte keine oder nur eine ungenügende Alternativenprüfung gegeben, kann erneut wieder nur der machen, der die Vorlage nicht gelesen hat.

Und die Ansprüche, die die Logistik stellt ist ja nichts Abstraktes, sondern trägt letztlich dem Rechnung, was wir als Verbraucher am Ende an Ansprüchen an den Handel haben. Und jeder von uns ist ja auch Kunde und nimmt dies in Anspruch. Dies gilt natürlich nicht für jene, die mit dem Handwagen persönlich und zu Fuß ihre Bionade ab Werk abholen. Inklusive der Diskussionen im Regionalverband, diskutiere ich heute dieses Thema zum fünften Mal innerhalb von acht Tagen.

Und die Argumente der Kritiker, sind im Wesentlichen immer die Gleichen und auch relativ kurz zusammenzufassen: Es sollen keine landwirtschaftlichen Flächen in Anspruch genommen werden, die Böden müssen geschützt werden! Verkürzt auf das Eigentliche, ist das immer wieder die gleiche Botschaft.

Und dem muss entgegengehalten werden, dass wir tatsächlich nicht in der Lage sein werden, Wachstum in der Region zu ermöglichen, ohne Flächen in Anspruch zu nehmen.

Dieser Debatte müssen wir uns stellen. Und wir müssen die Positionen auch klar so benennen. Denn hier wird gerade von Seiten der Kritiker vieles durcheinander gemengt. Das liegt daran, dass sich an dem Thema des Stopps der Bodennutzung für Siedlungszwecke völlig unterschiedliche Interessengruppen zusammenfinden.

Unter dem Stichwort Erhaltung der Böden finden sich eigentlich völlig widersprüchliche Positionen wieder, die sich nur darin einig sind dagegen zu sein. Da sind die Interessenvertreter der Landwirtschaft, die für Ihren Berufsstand um jeden Quadratmeter Ackerland kämpfen. Dabei mutiert dann von Vorlage zu Vorlage auch mal ein armer Sandboden zum allerbesten und wertvollsten Ackerland.

Da gibt es Naturschutzverbände, die natürlich gegen jede Bebauung kämpfen. Denn wenn man erst mal gemeinsam mit der Landwirtschaft eine Bebauung verhindert hat, kann man dann später diese Flächen viel leichter einer grundsätzlichen Nutzung als Ackerfläche entziehen.

Da sind natürlich auch Menschen, die heute mit dem englischen Begriff „NIMBY bezeichnet werden. „Not in my backyard“.

Da gibt es im konkreten Fall die Stadt Alzenau und den Bezirk Unterfranken, die Lidl nicht verlieren wollen. Skurriler Weise wurde ja im HPA von den Grünen kritisiert, dass ein Teil der benatragten Fläche der Bevorratung dient und Lidl Platz für eine zukünftige Entwicklung gelassen werden soll. In Alzenau sei das ja auch nicht so gemacht worden. – Aber gerade deswegen sucht Lidl ja einen neuen Standort!

Da gibt es die Wasserwirtschaft, die auf der einen Seite sagt, durch die Bebauung darf das Grundwasser nicht gefährdet werden. Sehr wichtig wie ich finde. Die auf der anderen Seite aber auch das Problem hat, dass in diesen durchlässigen und intensiv bewirtschafteten Böden der Grundwasserschutz sehr problematisch ist.

Und jede Interessensgruppe hat das Recht und zum Teil auch die Pflicht Ihre Argumente darzustellen und vorzubringen.

Letztlich gilt es für uns aber dann, diese Argument abzuwägen und eine Entscheidung zu treffen, die für uns folgerichtig heißt: Ja, die Regionalplanung ermöglicht diese Abweichung!

Und so haben wir es auch in den letzten vier Debatten mehr oder weniger Intensiv bei diesem Thema erlebt.

Wenn wir uns als Regionalversammlung der Herausforderung stellen, dass es einen Bedarf an Logistikflächen in der Region gibt, die bei der Aufstellung des Regionalplanes noch nicht zu erkennen war - dann müssen wir uns auch dem Thema stellen, ob, wo und wie wir diese Ansiedlungen auch ermöglichen können.

Jetzt ist ein gern genutztes Gegenargument, wir sollten doch erst mal abwarten, welche Ergebnisse das Regionale Entwicklungskonzept von Albert Speer und Partner bringt, dass wir ja inzwischen beauftragt haben.

Glaubt denn wirklich einer, dass ein solches Konzept erstellt wird, ohne dass landwirtschaftlich genutzte Flächen an den Verkehrsachsen darin enthalten sind?

Glaubt auch nur einer, dass wir Flächen ausweisen, die dann nicht zur Folge hätten, dass der Boden nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden kann?

Glaubt auch nur einer, dass die vorliegende Fläche – und hier verweise ich auf die in der Vorlage dargestellte Alternativen Prüfung – nicht in einem solchen Konzept enthalten ist?

Das Konzept soll doch gerade den Sinn haben, Flächen zu verifizieren auf denen solche Vorhaben möglich sind!

Ich denke es wird deutlich, dass wir hier eine Fläche haben, die für dieses Projekt sehr geeignet ist. Und wir haben eine Kommune, die hinter dem Projekt steht. Genau wie die Nachbarkommune Langenselbold, das hat Bürgermeister Jörg Muth am Mittwoch in der Verbandskammer deutlich gemacht.

Wir haben eine Vorlage, die alle Aspekte abwägt und berücksichtigt. Zum Teil geht diese Vorlage – diese Kritik wurde ja auch bereits geäußert – viel zu tief in die Planungen hinein, Stichwort Shuttle-Service.

Aber es geht im Kern um die Grundsatzfrage: wollen und können wir in der Region noch Wachstum und Entwicklung ermöglichen. Ein Teil des Hauses sagt ganz klar nein!

Wir hingegen sagen es ganz offen: Es ist nicht immer leicht, weitere Entwicklungen, die große Flächen in Anspruch nehmen und natürlich Auswirkungen haben zu ermöglichen. Wir im Rhein- Main-Gebiet und im Main-Kinzig-Kreis sind aber sehr froh diese Probleme zu haben und nicht mit Stagnation oder Schrumpfung kämpfen zu müssen.

Die Wachstumsschmerzen, die damit verbunden sind, dass sich Unternehmen bei uns ansiedeln wollen, sind mir jedenfalls viel lieber, als die Probleme, die mir einige Kollegen aus anderen Bereichen unseres Bundeslandes schildern. Deshalb stimmen wir der Vorlage in dieser Form zu!